Deutschland drängt auf europaweite Datei für politische Aktivisten

Matthias Monroy

Aktionsplan für die europäische Innen- und Sicherheitspolitik weiter im Zeichen des Antiterrorkampfes

Kurz vor dem morgen beginnenden regulären EU-Innenministertreffen in Luxemburg hat die EU-Kommission gestern ihren lange erwarteten Vorschlag zur Ausgestaltung des „Stockholmer Programms“ umrissen. Der Aktionsplan konkretisiert die bislang nur als Absichtserklärungen festgelegten Inhalte des neuen Mehrjahresprogramms hinsichtlich des erwarteten Zeitplans. Wann der Entwurf verabschiedet wird ist indes unklar.

[heise.de] Insgesamt stehen 170 Projekte auf der Agenda der nächsten fünf Jahre.
Im Bereich Justiz, Grund- und Bürgerrechte will die Kommission etwa den Datenschutz in allen Politikbereichen verbessern, die Rechte von Angeklagten in Strafverfahren stärken und die gegenseitige Anerkennung rechtsverbindlicher Dokumente fördern. Online-Verkäufen soll ein optionales europäisches Vertragsrecht zugrunde liegen, die konsularischen Rechte von EU-Passinhabern sollen im Ausland gestärkt werden. Auch die „Data-Retention-Richtlinie“ zur Speicherung von Verbindungsdaten soll bis Herbst überprüft und gegebenenfalls geändert werden.

Während die Kommission hierfür vermutlich Zustimmung erwarten kann, dürften die projektierten Maßnahmen im Bereich innerer Sicherheit und Polizeizusammenarbeit Migranten und Solidaritätsorganisationen, politische Aktivisten, Datenschützer und Bürgerrechtler gleichsam auf die Barrikaden bringen. Alle bestehenden EU-Polizeibehörden erhalten mehr Kompetenzen, ihre Zusammenarbeit wird nicht nur beim Datenaustausch weiter erleichtert. Der neue Rundumschlag soll den „gestiegenen grenzüberschreitenden Herausforderungen“ Rechnung tragen: (weiter auf heise.de)

The European Commission is about to adopt its Action Plan on the Stockholm Progamme

1. European Commission: Action Plan on the Stockholm Programme:
Statewatch Analysis: A bit more freedom and justice and a lot more
security
by Tony Bunyan:

http://www.statewatch.org/analyses/no-95-stockholm-action-plan.pdf

"The “harnessing of the digital tsunami” as advocated by the EU Future Group and the surveillance society, spelt out in Statewatch’s “The Shape of Things to Come” is embedded in the Commission’s Action Plan as it is in the Stockholm Programme….There is no mention of the European Security Research Programme (ESRP). Much of the technological development is being funded under the 1.4 billion euro security research programme. See: Statewatch/TNI report: Neoconopticon: EU security-industrial complex."

The Shape of Things to Come:

http://www.statewatch.org/analyses/the-shape-of-things-to-come.pdf
Neoconopticon: EU security-industrial complex:

http://www.statewatch.org/analyses/neoconopticon-report.pdf

2. Statewatch Briefing: European Commission: Action Plan on the
Stockholm Programme: Comments by Professor Steve Peers, University of
Essex:

http://www.statewatch.org/analyses/no-94-stockholm-action-plan-comments-steve-peers.pdf

3. Full-text: Communication from the Commission: Delivering an area
of freedom, security and justice for Europe’s citizens Action Plan
Implementing the Stockholm Programme (COM 171/2010):

http://www.statewatch.org/news/2010/apr/eu-com-stockholm-programme.pdf

Today Statewatch also publishes two Analyses taking up issues raised
in the Action Plan:

4. The Action Plan includes proposals to track "troublemakers":
"The right to protest: Statewatch Analysis:Protests in the EU:
“Troublemakers” and “travelling violent offenders [undefined] to be
recorded on database and targete"d by Tony Bunyan:

http://www.statewatch.org/analyses/no-93-troublemakers-apr-10.pdf

"Since the onset of the EU’s response to the “war on
terrorism” the prime targets have been Muslim and migrant communities
together with refugees and asylum-seekers. Now there is an emerging
picture across the EU that demonstrations and the democratic right to
protest are among the next to be targeted to enforce “internal
security”.

5. Statewatch Briefing: EU proposals to increase the financial
transparency of charities and non-profit organisations by Ben Hayes:

http://www.statewatch.org/analyses/no-92-briefing-eu-financial-transparency-charities.pdf

" The Financial Action Task Force
(FATF) has strongly promoted the thesis that terrorist organisations use
laundered money for their activities, and that charities are a potential
conduit for terrorist organisations."

Continue reading „The European Commission is about to adopt its Action Plan on the Stockholm Progamme“

Das EU-Sicherheitsprogramm (Stockholmer Programm)

Im Text des von den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten im Dezember 2009 verabschiedeten Sicherheitsprogramms ist für die nächsten fünf Jahre geplant:

  1. zu „untersuchen, ob und wie die Behörden eines Mitgliedstaats rasch Informationen von privaten oder öffentlichen Einrichtungen eines anderen Mitgliedstaats erhalten können, ohne auf Zwangsmaßnahmen oder die Justizbehörden des anderen Staates zurückzugreifen“. Kommentar:
    In der Sache ist hier ein grenzüberschreitender Datenzugriff ohne
    richterliche Anordnung, wie sie bisher etwa zur Beschlagnahmen von
    Daten erforderlich ist, geplant.
  2. „Unter Berücksichtigung der Beratungen im Rat und im Europäischen Parlament über die Einrichtung eines europäischen Fluggastdatensatzsystems
    fordert der Europäische Rat die Kommission auf, eine auf eine
    Folgenabschätzung gestützte EU-Maßnahme in Bezug auf Fluggastdatensätze
    für die Zwecke der Verhütung, Aufdeckung, Aufklärung und Verfolgung von
    terroristischen Straftaten und Straftaten der Schwerkriminalität
    vorzuschlagen, mit der ein hohes Datenschutzniveau gewährleistet wird.“
    Kommentar: Geplant ist die verdachtslose und flächendeckende
    Aufzeichnung, wer wann wohin geflogen ist – bezüglich vollkommen
    unschuldiger Bürger. Nach dem erst später ergangenen Urteil des
    Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung steht fest, dass
    dieses Vorhaben nicht grundrechtskonform ist.
  3. Analysen der Geldwäsche-Meldestellen könnten „in eine – beispielsweise bei Europol angesiedelte – Datenbank für verdächtige Transaktionen einfließen“
  4. Gefordert werden „Informationsquellen zur Feststellung verdächtiger Bargeldbewegungen“
  5. Weitere Überwachung der Grenzen mittels Satelliten, Überwachungskameras in Flugzeugen und Drohnen (Eurosur)
  6. „Der Europäische Rat ist der Auffassung, dass ein elektronisches System zur Aufzeichnung der Einreise in die Mitgliedstaaten und Ausreise aus den Mitgliedstaaten
    die bestehenden Systeme ergänzen könnte, damit die Mitgliedstaaten in
    die Lage versetzt werden, Daten wirksam unter Einhaltung der
    Datenschutzvorschriften auszutauschen.“
  7. Der Rat ersucht die Kommission, „eine Studie über die Durchführbarkeit und den Nutzen der Entwicklung eines europäischen Genehmigungssystems für Reisen zu erstellen und gegebenenfalls die erforderlichen Vorschläge vorzulegen“. Kommentar: Ähnlich der USA soll eine Reise in die EU danach eine vorherige Anmeldung voraus setzen.
  8. Der Europäische Rat ersucht die Kommission, „die Frage automatisierter Grenzkontrollen und andere Aspekte im Hinblick darauf, das Grenzmanagement effizienter zu gestalten, weiter zu prüfen“.
  9. Die Kommission soll eine Studie über die „Ausstellung von
    Kurzaufenthaltsvisa“ (Touristen und Geschäftsleute) erstellen, in der
    untersucht werden könnte, „inwiefern eine Einschätzung des individuellen Risikos“ einfließen soll. Kommentar:
    Es handelt sich um die US-amerikanische Praxis, aus unbestimmten
    Datenbanken und Datenbeständen einen „Risikowert“ des Einreisewilligen
    zu errechnen und gegebenenfalls aus nicht nachvollziehbaren Gründen die
    Einreise zu versagen.
  10. Der Rat fordert einen „Informationsaustausch zwischen der EU und Drittländern,
    der sicher und effizient ist und angemessenen Datenschutzstandards
    entspricht“. „Die Union benötigt einen kohärenten Rechtsrahmen für die
    Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer für die Zwecke der
    Strafverfolgung. Dazu könnte ein Musterrahmenabkommen erstellt werden,
    das aus allgemein anwendbaren zentralen Elementen des Datenschutzes
    besteht.“ Kommentar: In Drittstaaten unterliegen persönliche Daten
    keinem ausreichenden Schutz. Datenübermittlungen ziehen daher
    regelmäßig Menschenrechtsverletzungen nach sich (z.B. Festnahme bei der
    Einreise, Aufnahme in Verdachtslisten oder gar Verbringung in
    Folterstaaten).

Continue reading „Das EU-Sicherheitsprogramm (Stockholmer Programm)“

Mehr Sicherheit um jeden Preis

Das Stockholmer Programm der Europäischen Union

Christine Wicht

Flüchtlingsbekämpfung" wurde bekanntlich nicht zum Unwort des Jahres
2009 gewählt, gelangte aber zumindest auf den zweiten Platz der
"sprachlichen Missgriffe". Dabei war es niemand geringeres als
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die mit dieser Wortschöpfung zu Beginn
des letzten Jahres den deutschen Beitrag an Europas Grenzen würdigte.
Im ersten Moment mag die menschenfeindliche Vokabel wie ein Lapsus
wirken; immerhin könnte sie dem Jargon der extremen Rechten entstammen.
Tatsächlich aber steht sie für die programmatischen Zukunftsstrategien
der europäischen Migrations-, Justiz- und Innenpolitik und für die
zunehmend härtere Gangart der EU-Staaten bei ihrer Abschottung nach
außen und der Überwachung nach innen.

Mit dem im vergangenen Dezember auf der Stockholmer
Sicherheitskonferenz beschlossenen Maßnahmenkatalog strebt die EU die
Einrichtung einer einheitlichen europäischen Sicherheitsarchitektur und
einen "Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienste der
Bürger" an. Diese "Sicherheits- und Rechts-Agenda" für die Jahre 2010
bis 2014 ist zwar bislang lediglich eine Absichtserklärung, die in
Richtlinien oder Gesetze umgesetzt werden muss, um rechtswirksam zu
werden, hat aber in der gegenwärtigen politischen Großwetterlage gute
Chancen, implementiert zu werden. Continue reading „Mehr Sicherheit um jeden Preis“

More security at any price

Christine Wicht

The Stockholm Programme of the European Union

The Stockholm Programme, the latest in a series of
EU agreements on security policy, was endorsed in December 2009. Based
on the "principle of availability", the Programme plans to enable the
cross-border collection, processing and sharing of data on a massive
scale. Supposedly promoting "openness and security", it is a further
step towards a hi-tech Fortress Europe, writes Christine Wicht.

German chancellor Angela Merkel’s neologism Flüchtlingsbekämpfung,
coined in the German parliament in 2009 and translatable as "refugee
combating", might have seemed like a misanthropic lapse; it could,
after all, easily belong to the jargon of the extreme Right. Yet in
actual fact it accurately represents future EU strategies for
immigration and justice policy, and well expresses the increasingly
severe methods being used by EU states in sealing their outer borders
and placing their own citizens under surveillance.  Continue reading „More security at any price“

Stockholmer Programm, für Deutschland nicht ambitioniert genug

Nach den Programmen von Tampere 1999 und Den Haag wird Anfang Dezember
auf dem Rat der Staats- und Regierungschefs der EU ein neuer
Fünfjahresplan für die Innere Sicherheit der EU, das so genannte
Stockholmer Programm, verabschiedet werden. Obwohl das deutsche
Innenministerium (BMI) bereits über die Gründung einer informellen
„Future Group“ während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten
Halbjahr 2007, welche das Programm ausarbeiten sollte, massiven
Einfluss auf dessen Ausgestaltung nahm, kritisierte das BMI den Entwurf
der Kommission vom 10. Juni 2009 als unzureichend. In einem Schreiben
des BMI an die Kommission heißt es u.a.: "Es gibt Bereiche, in denen
wir unsere Ziele konkreter und ambitionierter fassen wollen". Continue reading „Stockholmer Programm, für Deutschland nicht ambitioniert genug“

Programma di Stoccolma parte seconda

Ecco la seconda parte dell’analisi sul Programma di Stoccolma, qui la prima parte.

 

Sviluppare una politica di strategia interna volta a rafforzare la sicurezza dei cittadini europei.

La sicurezza dei cittadini é una delle
priorità più importanti per l’Unione Europea. In particolare la
prevenzione deve avvenire a livello sovrannazionale attraverso una
maggiore cooperazione ecollaborazione di tutti gli organi coinvolti nel
fronteggiare minacce, a loro volta, globali come: terrorismo, traffico
di uomini, pedopornografia etc. Per questo il Consiglio invita le
istituzioni ma anche gli Stati Membri ad agire sempre di più nel
rispetto dell’articolo 222 TFUE che introduce la clausola di
solidarietà.

Importante novità introdotta
dall’articolo 71 del TFUE é la nascita di un Comitato permanente
sicurezza interna (COSI acronimo in inglese) che avrà il compito di “assicurare
all’interno dell’Unione la promozione e il rafforzamento della
cooperazione operativa in materia di sicurezza interna. Fatto salvo
l’articolo 240, esso favorisce il coordinamento dell’azione delle
autorità competenti degli Stati membri. I rappresentanti degli organi e
organismi interessati dell’Unione possono essere associati ai lavori
del comitato. Il Parlamento europeo e i parlamenti nazionali sono
tenuti informati dei lavori”.

Vengono individuate 6 tipologie di crimine da combattere, sia attraverso il COSI sia proseguendo nell’uso del Organised Crime Threat Assessment Report (OCTA). Le tipologie di crimine individuate sono: Continue reading „Programma di Stoccolma parte seconda“

Protest and events against the adoption of the Stockholm program in Brussels

After
Tampere and The Hague, the Stockholm program will constitute the next
5-year-framework for Justice and Home Affairs (JHA) within the EU and
its member states. The new program claims to build up the ‘area of
freedom, justice and security’, but in fact it will continue to
implement an even tighter regime of surveillance and control and will
promote a securitisation of social life, undermining all civil rights
and privacy despite contrary claims. On monday the 30th of november and
tuesday the 1st of december a number of actions and other events was held in Brussels to protest against this new 5 year programme of death and detention.

The bordermonitoring project participated in these protests and published a press release:
Continue reading „Protest and events against the adoption of the Stockholm program in Brussels“

Bauplan für den europäischen Präventivstaat

Die
Staats- und Regierungschefs Europas verabschieden heute mit dem
Stockholmer Programm die Grundsätze der europäischen Sicherheitspolitik
für die nächsten fünf Jahre. 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer
sollen feinmaschige Kontrollsysteme nach US-Vorbild alle
Reisebewegungen innerhalb und an den Grenzen der Union erfassen.

Gezählte zwei Dutzend Mal findet sich der Begriff
"Datenschutz" ("Data-Protection") im Stockholmer Programm, dessen
Verabschiedung am Freitag auf der Tagesordnung des Europäischen Rats
steht.

Dieses nicht mit dem Ministerrat zu verwechselnde Gremium wird in der
medialen Öffentlichkeit gemeinhin "EU-Gipfel" genannt, weil im
Europäischen Rat die Staats- und Regierungschefs aller EU-Staaten
versammelt sind. Continue reading „Bauplan für den europäischen Präventivstaat“

Völlig enthemmt

[german-foreign-policy.com] Am heutigen "Tag der
Menschenrechte" beschließt die EU mit dem "Stockholmer Programm" einen
neuen Fünfjahresplan zur Flüchtlingsabwehr. Das Programm steckt den
Rahmen für die künftige EU-Innenpolitik ab. Die darin festgelegten
Pläne zur Hochrüstung der EU-Außengrenzen sind auf Druck der
Bundesregierung verschärft worden und führen die brutale
Abschottungspolitik fort, die unter Menschenrechtsorganisationen auf
scharfe Kritik stößt. Die EU nehme die Rechte von Flüchtlingen "nicht
ernst" und setze nur auf die Abweisung nicht erwünschter Migranten,
beklagt Amnesty International. Das Massensterben im Mittelmeer sei
"Ausdruck einer völlig enthemmten Abwehrpolitik Europas", erklärt Karl
Kopp, Europareferent von PRO ASYL. Auch im Inland verstießen die
deutschen Behörden systematisch gegen die Menschenwürde und damit auch
gegen die Menschenrechte von Flüchtlingen, urteilt Volker Maria Hügel,
Bundesvorstandsmitglied von PRO ASYL, gegenüber dieser Redaktion. Die
Flüchtlingsabwehr Berlins und der EU hat inzwischen Todesopfer in
fünfstelliger Größenordnung gefordert – im Mittelmeer, im Atlantik und
in Osteuropa. Das Massensterben an den EU-Außengrenzen gehört damit zu
den großen Weltkatastrophen der letzten 20 Jahre.
Continue reading „Völlig enthemmt“