Das Stockholmer Programm und die traurige Realität an Europas Grenzen

PRO ASYL: Zurückweisung, willkürliche Inhaftierung und das Sterben von Flüchtlingen sind Ausdruck einer völlig enthemmten Abwehrpolitik

Anlässlich des Ratstreffens Justiz und Inneres legt PRO ASYL heute in Brüssel gemeinsam mit ECRE, der Helsinki Citizen Assembly (Istanbul), der Group of Lawyers (Athen) und dem Border Monitoring Project Ukraine (Ushgorod) seinen aktuellen Befund zur Lage der Menschenrechte an den europäischen Außengrenzen vor. „Völkerrechtswidrige Zurückweisungen, willkürliche Inhaftierung, der Tod von Flüchtlingen sind traurige Realität und Ausdruck einer völlig enthemmten Abwehrpolitik Europas“, so Karl Kopp, Europareferent von PRO ASYL.

PRO ASYL fordert bezogen auf die Abschlussarbeiten an dem sogenannten Stockholmer Programm, welches die flüchtlingspolitische Agenda für die nächsten fünf Jahre festlegt, dass die EU sich auf die Wiederherstellung menschenrechtlicher Prinzipien verpflichtet.

Mit Blick auf die Entschließung des Europaparlaments vom 25. November 2009 und dem zweiten Entwurf der Schwedischen Präsidentschaft zum Stockholmer Programm mahnt PRO ASYL, Europa müsse sich entscheiden: Wer auf der einen Seite die Menschenrechte und den Flüchtlingsschutz stärken will, kann nicht ein paar Zeilen weiter mit dem libyschen Diktator Ghaddafi Kooperationen im Bereich der Migration- und Fluchtbekämpfung eingehen (siehe Auszüge im Anhang). „Diese doppelzüngige europäische Menschenrechtspolitik ist mitverantwortlich, dass auf Hoher See abgedrängte Bootsflüchtlinge aus Eritrea, dem Sudan und Somalia auf so beschämende Art erneut Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen in Libyen  werden, “ so Kopp. Das Modell Italien – die völkerrechtswidrige Zurückweisung von Bootsflüchtlingen – darf nicht das Modell für die künftige europäische Flüchtlingspolitik werden.

Internationale Flüchtlingsschutzstandards werden täglich an den EU-Außengrenzen eklatant verletzt, Schutzsuchende werden in Transitländer wie Libyen, die Türkei, Mauretanien und die Ukraine zurücktransportiert – egal wie es dort um die Menschenrechte bestellt ist. Entlang der europäischen Küsten und Landgrenzen entstehen immer mehr Haftanstalten für die neuankommenden Flüchtlinge. Die Todesrate bei den Einreiseversuchen nach Europa ist unvermindert hoch. Über 500 Bootsflüchtlinge sind seit Beginn dieses Jahres allein im Kanal von Sizilien ums Leben gekommen. „Die EU und ihre Mitgliedsstaaten, die über alles Statistik führen, sind bezeichnenderweise nicht bereit, die Opferzahlen der Festung Europa zentral zu dokumentieren, geschweige denn eine humane Antwort zu finden, um dieses Massensterben zu beenden“, so Karl Kopp.

Wenn die EU und ihre Mitgliedstaaten es ernst meinen mit dem „Europa des Asyls“ und wenn derRaum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts künftig ein „gemeinsamer Schutzraum für Flüchtlinge“sein soll, dann muss allen Kooperationen mit menschenrechtsverletzenden Regierungen eine Absage erteilt werden. Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den Grenzen oder internationalen Gewässern durch Verbände der europäische Grenzschutzpolizei FRONTEX oder Mitgliedstaaten sind zu unterbinden.

Source: http://www.greenpeace-magazin.de/index.php?id=55&tx_ttnews[tt_news]=67577&tx_ttnews[backPid]=23&cHash=7827e0c2ed