Europäisches Parlament nimmt Stockholmer Programm an

Nach
einer sechsmonatigen Vorbereitungsphase ist sich die Europäische Union
(etwas verspätet) fast einig über ihren 5-Jahres-Plan zur politischen
Linie in den Politik- Bereichen Justiz und Inneres, besser bekannt als
"Stockholmer Programm".

Debatten
zu diesem Antrag liefen parallel zueinander ab, einerseits durch das
Europäische Parlament, das eine Stellungnahmen zur Akte vorbereitete
und andererseits durch die Mitgliedsstaaten, die zur selben Zeit auf
die Vollendung des "tatsächlichen" Textes hinarbeiteten. Obwohl die
Ansichten des Europäischen Parlaments nur bedingt direkte Auswirkungen
auf das Stockholmer Programm selbst hatten, werden sie praktische
Vorhaben, die von diesem neuen Plan anschließend festgelegt werden,
beeinflussen können.

Der seitens des Parlaments in großer Eile und viel Chaos angenommene
Text ist eine Mischung aus einigen sehr positiven Berichten und manchen
weniger hilfreichen. Positiv ist anzurechnen, dass Versuche unternommen
wurden die "Gleichgewichts"-Metapher nach 9/11 in Bezug auf Freiheiten
und Recht neu zu gestalten: "(…) die EU ist im Freiheitsprinzip
verwurzelt; hebt hervor, dass als Stütze für diese Freiheit, Sicherheit
in Übereinstimmung mit Rechtsstaatlichkeit und gemäß den
Verpflichtungen gegenüber den Grundrechten verwirklicht werden muss;
gibt an dass das Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit aus
dieser Perspektive betrachtet werden muss". Einer der Schwerpunkte
liegt auf der Bewertung der Auswirkungen von Maßnahmen, die unter
diesem Programm angenommenen wurden, und der Verbesserung bereits
gegenwärtiger Evaluierungssysteme. Auf der Schattenseite wurden
Möglichkeiten versäumt im Hinblick auf den von der Europäischen
Kommission geforderten Mindestgrad an Sorgsamkeit bezüglich der bei
Folgenabschätzungen zu erwähnenden Probleme und hinsichtlich der
inhärenten Gefahren bei Nutzung von Datenbanken, besonders wenn diese
miteinander verbunden sind.

In der Zwischenzeit stieß der Rat bei Diskussionen in letzter Minute
über das Programm auf einige Probleme, wenn auch diese zur Zeit der
Erstellung dieses Textes für die Initiative als Ganzes nicht verheerend
zu sein scheinen. Wenn mensch bedenkt, dass der Minister eines
Mitgliedsstaates im Laufe der Minister_innendebatte den Wunsch äußerte,
das Stockholmer Programm solle zur "Ausrottung des Terrorismus" führen
und den Wunsch eines anderen, das Programme solle effektiv mit
Kleinkriminalität umgehen, scheint es, als ob Mitgliedsstaaten
einigermaßen unrealistische Erwartungen an die Initiative stellen.
Einerseits entfernte mensch einige der destruktiveren und
populistischeren (Blockade von Webseiten) sowie der absolut
gefährlichen Maßnahmen ("Ablehnung" von IP-Adressen fremder ISPs, die
seitens der Polizei als kriminell eingestuft werden) in der Mitteilung
der Europäischen Kommission vom Juni diesen Jahres, welche die
Grundlage des Programms bilden sollte. Andererseits scheint der Rat dem
Missverständnis unterlegen zu sein, dass eine IT-bezogene
automatisierte Regulierung Systeme hervorbringen wird, die sowohl
günstiger als auch weit effizienter sein werden und zudem die
Bürger_innenrechte nicht gefährden. Diese Tendenz zeigt sich im Antrag
des Rates (obgleich geschickt mit Worten über den Schutz persönlicher
Daten gerahmt) zur "Interoperabilität von IT-Systemen, die bei der
Entwicklung solcher Systeme vollkommene Konformität mit Datenschutz und
Datensicherheitsprinzipien sicherstellen". In diesem Zusammenhang, und
dieses beunruhigende Thema wahrend, äußerte die schwedische Ministerin
Beatrice Ask (zu Beginn der Diskussionen im Rat) ihre Hoffnung auf die
Schaffung eines "kosteneffektiveren Datenaustausches".

Wie zuvor erwähnt, verlangsamten Unstimmigkeiten und Säumnisse die
endgültige Annahme des Textes maßgeblich. Während die Minister_innen
sich einig waren, dass Bürger_innen ihre persönlichen Daten jeder
Regierung (einschließlich fremden Regierungen, in Anknüpfung an das
SWIFT-Abkommen zum Austausch von Bankdaten) gerne anvertrauen sollten,
trauten sie einander nicht zu, für gegenseitig anerkannte Asylverfahren
verantwortlich zu sein. Dadurch verzögerte dieser Aspekt des Programms
seine Annahme.

Der nächste Schritt in diesem Prozess wird es sein, konkrete Projekte
vorzubereiten, die im Rahmen des angenommenen Textes beantragt werden.
Dies wird die Europäische Kommission, angeblich unterstützt von der
spanischen Ratspräsident_innenschaft, übernehmen.

:: Commission Communication (10.06.2009)
:: Last available consolidated text
:: Second-last set of amendments to the Programme (27.11.2009)
:: unwatched: Annahme des Stockholmprogramms steht kurz bevor (12. Sep 2009)

Dieser Artikel wurde zuerst am 06. Dez 2009 auf :: unwatched.org veröffentlicht, hier bearbeitet von no-racism.net.

Source: http://no-racism.net/article/3188/