Das EU-Sicherheitsprogramm (Stockholmer Programm)

Im Text des von den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten im Dezember 2009 verabschiedeten Sicherheitsprogramms ist für die nächsten fünf Jahre geplant:

  1. zu „untersuchen, ob und wie die Behörden eines Mitgliedstaats rasch Informationen von privaten oder öffentlichen Einrichtungen eines anderen Mitgliedstaats erhalten können, ohne auf Zwangsmaßnahmen oder die Justizbehörden des anderen Staates zurückzugreifen“. Kommentar:
    In der Sache ist hier ein grenzüberschreitender Datenzugriff ohne
    richterliche Anordnung, wie sie bisher etwa zur Beschlagnahmen von
    Daten erforderlich ist, geplant.
  2. „Unter Berücksichtigung der Beratungen im Rat und im Europäischen Parlament über die Einrichtung eines europäischen Fluggastdatensatzsystems
    fordert der Europäische Rat die Kommission auf, eine auf eine
    Folgenabschätzung gestützte EU-Maßnahme in Bezug auf Fluggastdatensätze
    für die Zwecke der Verhütung, Aufdeckung, Aufklärung und Verfolgung von
    terroristischen Straftaten und Straftaten der Schwerkriminalität
    vorzuschlagen, mit der ein hohes Datenschutzniveau gewährleistet wird.“
    Kommentar: Geplant ist die verdachtslose und flächendeckende
    Aufzeichnung, wer wann wohin geflogen ist – bezüglich vollkommen
    unschuldiger Bürger. Nach dem erst später ergangenen Urteil des
    Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung steht fest, dass
    dieses Vorhaben nicht grundrechtskonform ist.
  3. Analysen der Geldwäsche-Meldestellen könnten „in eine – beispielsweise bei Europol angesiedelte – Datenbank für verdächtige Transaktionen einfließen“
  4. Gefordert werden „Informationsquellen zur Feststellung verdächtiger Bargeldbewegungen“
  5. Weitere Überwachung der Grenzen mittels Satelliten, Überwachungskameras in Flugzeugen und Drohnen (Eurosur)
  6. „Der Europäische Rat ist der Auffassung, dass ein elektronisches System zur Aufzeichnung der Einreise in die Mitgliedstaaten und Ausreise aus den Mitgliedstaaten
    die bestehenden Systeme ergänzen könnte, damit die Mitgliedstaaten in
    die Lage versetzt werden, Daten wirksam unter Einhaltung der
    Datenschutzvorschriften auszutauschen.“
  7. Der Rat ersucht die Kommission, „eine Studie über die Durchführbarkeit und den Nutzen der Entwicklung eines europäischen Genehmigungssystems für Reisen zu erstellen und gegebenenfalls die erforderlichen Vorschläge vorzulegen“. Kommentar: Ähnlich der USA soll eine Reise in die EU danach eine vorherige Anmeldung voraus setzen.
  8. Der Europäische Rat ersucht die Kommission, „die Frage automatisierter Grenzkontrollen und andere Aspekte im Hinblick darauf, das Grenzmanagement effizienter zu gestalten, weiter zu prüfen“.
  9. Die Kommission soll eine Studie über die „Ausstellung von
    Kurzaufenthaltsvisa“ (Touristen und Geschäftsleute) erstellen, in der
    untersucht werden könnte, „inwiefern eine Einschätzung des individuellen Risikos“ einfließen soll. Kommentar:
    Es handelt sich um die US-amerikanische Praxis, aus unbestimmten
    Datenbanken und Datenbeständen einen „Risikowert“ des Einreisewilligen
    zu errechnen und gegebenenfalls aus nicht nachvollziehbaren Gründen die
    Einreise zu versagen.
  10. Der Rat fordert einen „Informationsaustausch zwischen der EU und Drittländern,
    der sicher und effizient ist und angemessenen Datenschutzstandards
    entspricht“. „Die Union benötigt einen kohärenten Rechtsrahmen für die
    Übermittlung personenbezogener Daten an Drittländer für die Zwecke der
    Strafverfolgung. Dazu könnte ein Musterrahmenabkommen erstellt werden,
    das aus allgemein anwendbaren zentralen Elementen des Datenschutzes
    besteht.“ Kommentar: In Drittstaaten unterliegen persönliche Daten
    keinem ausreichenden Schutz. Datenübermittlungen ziehen daher
    regelmäßig Menschenrechtsverletzungen nach sich (z.B. Festnahme bei der
    Einreise, Aufnahme in Verdachtslisten oder gar Verbringung in
    Folterstaaten).

Ein besonders schönes Zitat: „Der Europäische Rat stellt mit
Genugtuung fest, dass durch die Entwicklungen, die in den letzten
Jahren in der EU stattgefunden haben, viele Wahlmöglichkeiten und ein umfangreiches Instrumentarium im Hinblick auf die Sammlung, Verarbeitung und gemeinsame Nutzung von Informationen
zwischen den nationalen Behörden und anderen europäischen Stellen im
Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts entstanden sind.“

Das Europäische Parlament hat eine diesbezügliche Entschließung gefasst. Es

  1. fordert „eine eingehende Bewertung der Notwendigkeit
    und Verhältnismäßigkeit neuer Instrumente für Bereiche wie Ein- und
    Ausreise, das Registrierungsprogramm für Reisende, Fluggastdatensätze
    und das System für vorherige Reisegenehmigungen“
  2. äußert sich „besorgt über die zunehmend weitverbreitete Praxis der
    Erstellung von Persönlichkeitsprofilen auf der Grundlage der gezielten
    Datenextraktion (data mining) und einer generalisierten Erfassung von
    Daten unschuldiger Bürger für präventive und polizeiliche Zwecke“
  3. „fordert eine gründliche Evaluierung aller
    einschlägigen Rechtsvorschriften (betreffend u.a.
    Terrorismusbekämpfung, polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit,
    Einwanderung, transatlantische Abkommen) im Bereich des Schutzes der
    Privatsphäre und des Datenschutzes“
  4. „fordert eine engere und intensivere Zusammenarbeit zwischen
    einzelstaatlichen Behörden, europäischen Agenturen und gemeinsamen
    Einsatzteams im Rahmen spezialisierter Netze (wie SIS II, VIS, dem
    Zollinformationssystem, Eurodac – ein System für den Vergleich von
    Fingerabdrücken zum Zwecke der wirksamen Anwendung des Dubliner
    Übereinkommens – und den Justiziellen Netzen) und eine spezifische Zusammenarbeit zwischen Nachrichten- und Polizeidiensten auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität“
  5. „hält es unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Schengen das
    Kernstück des RFSR ist, für äußerst wesentlich und wichtig, eine Europäische Agentur für die Verwaltung der wesentlichen Informationssysteme in diesem Bereich, nämlich SIS II, VIS und Eurodac, einzurichten“

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